Die Beweggründe

In ihrem Testament hat Elsbeth Gottwald in Übereinstimmung mit den Wünschen ihres Mannes ihren Stiftungswillen festgelegt sowie Ausrichtung, Ziel und Inhalt der Fördertätigkeit. Was das Ehepaar zu diesem weitreichenden Schritt bewogen hat, der mit der Hergabe seines gesamten Vermögens verbunden war, können wir nur vermuten. Die Verfügung von Todes wegen enthält keine ergänzenden Hinweise und Erläuterungen, mit denen sich das Ehepaar erklärt. Vielleicht war die Tatsache, daß sie keine direkten Nachkommen hatten, einer der Gründe. In den vorgefundenen privaten und geschäftlichen Papieren finden sich aber Zeugnisse des menschenfreundlichen Denkens und Trachtens der Erblasser.

Johannes Gottwald war ein Mann der Tat, der seine unternehmerischen Vorhaben mit großer Energie und hohem persönlichen Einsatz zielgerichtet durchzusetzen wußte. Dafür daß er sich dabei auch von sozialen Überlegungen leiten ließ, gibt es viele Belege.

Ein Beispiel soll hier genannt werden: In einer der Bombennächte vor sechzig Jahren war der Wohnungsbestand der Familie Schruth zu
fast 80 % zerstört worden. In seiner Rede beim Richtfest zum Wiederaufbau der Wohnanlage am 23. Juli 1954 nannte Johannes Gottwald drei Gründe für den Wiederaufbau - trotz aller Bedenken und gegen alle warnenden Stimmen:

• Es ist das Verantwortungsgefühl des Menschen und Staatsbürgers gegenüber seinen Mitmenschen und seinem Gemeinwesen und damit das selbstverständliche Gebot, für seinen Teil und nach seinen Kräften mitzuhelfen, um Not und Elend zu mildern.

• Es sind die Pietät und die Verpflichtung gegenüber den verstorbenen Männern, die vor nunmehr 30 Jahren diesen Wohnblock geschaffen haben, die meiner Frau und damit mir die Verpflichtung und die Aufgabe des Wiederaufbaues auferlegen.

• Es möge dieser Bau dazu beitragen und manche Grundstückseigentümer in ähnlicher Lage veranlassen, ihre Bedenken fallen zu lassen und - auch bei einer Vermögenseinbuße - mitzuhelfen bei der Beseitigung des Wohnungselends ...

Johannes GottwaIds Ausführungen damals haben besonderes Gewicht, wenn man berücksichtigt, daß dieses große persönliche Engagement eine rein private Initiative war und zu Zeiten des kalten Krieges eingegangen wurde, trotz der Bedrohungen durch den schwelenden Ost-West-Konflikt. Die Zukunft Berlins war damals mehr als vage. Andere zogen ihr Vermögen aus der Stadt ab, um damit lieber in Westdeutschland am Wirtschaftswunder teilzunehmen.

Alles spricht für die soziale Grundhaltung des Ehepaars Gottwald, denen es ein Herzensbedürfnis war, "für seinen Teil und nach seinen Kräften mitzuhelfen um Not und Elend zu mildern".

Richtfest Hohenzolierndamm/Rudolstädter Straße am 23. Juli 1954



Richtfest Hohenzolierndamm/Rudolstädter Straße am 23. Juli 1954